Ob ambulante Pflegedienste freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielen, richtet sich nach der Frage, ob ihre Tätigkeit mit einem freiberuflichen Katalogberuf vergleichbar ist. Die OFD Frankfurt fasst die hierbei zu beachtenden Grundsätze in einer ausführlichen Verfügung zusammen.

Ob Betreiber ambulanter Pflegedienste freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielen, ist in erster Linie aus gewerbesteuerlicher Sicht relevant, denn nur Gewerbebetriebe unterliegen der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), nicht hingegen Freiberufler. Unter welche Voraussetzungen ein ambulanter Pflegedienst freiberufliche Einkünfte erzielt, hat die Oberfinanzdirektion Frankfurt (OFD) mit Verfügung vom 2.4.2015 dargestellt.

Ausgangslage

Zu den freiberuflichen Tätigkeiten zählt das Einkommensteuergesetz bestimmte Katalogberufe (z.B. die selbstständigen Tätigkeiten von Ärzten, Heilpraktikern, Krankengymnasten, Rechtsanwälten, Notaren, Ingenieuren und Architekten) und Berufe, die diesen Katalogberufen „ähnlich“ sind (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die OFD Frankfurt weist darauf hin, dass eine freiberufliche Einordnung von ambulanten Pflegediensten nur über die Anerkennung als „ähnliche“ heilberufliche Tätigkeit gelingen kann.

Wie ist die „Ähnlichkeit“ zu bestimmen?

Zum Vergleich müssen diejenigen Katalogberufe herangezogen werden, die eine heilberufliche Tätigkeit beinhalten – somit die Berufe von Ärzten, Heilpraktikern und Krankengymnasten. Die Tätigkeit eines ambulanten Pflegedienstes ist nur dann „ähnlich“, wenn sie in ihren wesentlichen Merkmalen mit einem dieser Katalogberufe vergleichbar ist. Hierbei müssen die jeweils ausgeübten Tätigkeiten (mit ihren charakterisierenden Eigenschaften), die Ausbildung und die gesetzlichen Bedingungen für die Berufsausübung miteinander verglichen werden.

Vergleichbarkeit der Ausbildung

Die heilberuflichen Katalogberufe dürfen regelmäßig nur ausgeübt werden, nachdem der Berufsträger eine staatliche Erlaubnis erlangt hat, die wiederum an den erfolgreichen Abschluss eines gesetzlichen Ausbildungsganges geknüpft ist. Auch eine „ähnliche Tätigkeit“ muss dieses Kriterium grundsätzlich erfüllen, allerdings kann eine fehlende staatliche Erlaubnis (Abschlussprüfung) dadurch kompensiert werden, dass

  • die zuständige Stelle der gesetzlichen Krankenkasse für die Tätigkeit des Pflegedienstes eine Zulassung i. S. d. § 124 Abs. 2 SGB V erteilt hat oder
  • der Pflegedienstleister durch ein Gutachten nachweisen kann, dass die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind.

In beiden Fällen kann der Pflegedienstleister somit trotz fehlender staatlicher Erlaubnis bzw. Abschlussprüfung eine freiberufliche Einordnung seiner Tätigkeit erreichen.

Die OFD weist darauf hin, dass nach dem BMF-Schreiben vom 22.10.2004 (BStBl 2004 I S. 1030) folgende Berufsgruppen die obigen Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit erfüllen:

  • Krankenpfleger und Krankenschwestern, die nach § 2 des Krankenpflegegesetzes zum Führen dieser Berufsbezeichnung berechtigt sind.
  • Altenpfleger, die nach § 2 des Altenpflegegesetzes zum Führen dieser Berufsbezeichnung berechtigt sind.

Hinweis: Als Freiberufler anerkannt werden auch Altenpfleger, die bereits vor dem Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes am 1.8.2003 nach landesrechtlichen Vorschriften staatlich anerkannt wurden.

Nicht als Freiberufler anzuerkennen sind nach der Weisung hingegen Kranken- und Altenpflegehelfer.

Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeiten

Die OFD erklärt weiter, dass für einige Tätigkeiten eines ambulanten Pflegedienstes eine freiberufliche Einordnung ausscheidet. Insbesondere müssen 2 Tätigkeitsfelder unterschieden werden:

  • Leistungen der häuslichen Krankenpflege (i. S. d. § 37 SGB V) bestehen im Wesentlichen aus der Behandlungspflege, die als medizinische Hilfeleistung unter Verantwortung eines Arztes erbracht wird und somit auf einer Stufe mit Leistungen anderer Heilberufe steht. Diese Leistungen sind mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten vergleichbar und somit freiberuflicher Natur.
  • Leistungen der häuslichen Pflegehilfe (i. S. d. § 36 SGB XI) sind primär Hilfeleistungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Alltagsverrichtungen und müssen daher als gewerbliche Tätigkeit eingestuft werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Hilfeleistung die Gesundheitsvorsorge und Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen beinhaltet.

Aufteilung der Tätigkeiten

Erbringt ein ambulanter Pflegedienst sowohl freiberufliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege als auch gewerbliche Leistungen der häuslichen Pflegehilfe, so dürfen beide Tätigkeitsfelder nach der Rechtsprechung des BFH steuerlich getrennt voneinander behandelt werden, wenn die Tätigkeiten unabhängig voneinander erbracht bzw. vergütet werden und die Einnahmen getrennt voneinander aufgezeichnet werden. In diesem Fall kann die (gemischte) Tätigkeit eines Pflegedienstleisters somit in einen freiberuflichen und einen gewerblichen Teil aufgeteilt werden.

Die OFD weist darauf hin, dass eine Trennung selbst dann möglich ist, wenn die unterschiedlichen Leistungen nacheinander an derselben Pflegeperson erbracht werden.

Hinweis: Eine Trennung der Tätigkeiten bzw. Einnahmen wird in der Praxis selten Probleme bereiten, da für die häusliche Krankenpflege die Krankenversicherung und die hauswirtschaftliche Versorgung die Pflegeversicherung zuständig ist.

Einheitliche Einkunftsart

Anders ist der Fall gelagert, wenn eine der Tätigkeiten des Pflegedienstes derart überwiegt, dass die andere Tätigkeit lediglich Ausfluss der Haupttätigkeit ist oder wenn für die Tätigkeiten ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird. In diesem Fall dürfen die Tätigkeiten steuerlich nicht getrennt voneinander beurteilt werden – der Pflegedienst erzielt dann entweder in vollem Umfang freiberufliche oder aber gewerbliche Einkünfte.

Anstellung von vorgebildeten Fachkräften

Die Tätigkeit eines ambulanten Pflegedienstes kann auch dann noch als freiberuflich eingestuft werden, wenn der Berufsträger vorgebildete Fachkräfte wie Krankenpfleger, Krankenpflegehelfer oder Altenpfleger beschäftigt. Er muss aber eigenverantwortlich und aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend tätig bleiben. Hierfür genügt es, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen maßgeblichen Einfluss auf die Tätigkeit seiner Mitarbeiter ausübt und den Leistungen so den „Stempel seiner eigenen Persönlichkeit“ aufdrückt. In die Gewerblichkeit rutscht der Berufsträger hingegen ab, wenn er die Pflege an den einzelnen Patienten nach einem Erstgespräch weitgehend seinen Mitarbeitern überlässt oder er lediglich in Urlaubs- und Krankheitsfällen selbst pflegend tätig wird.

Besonderheiten bei Personenvereinigungen

Ein ambulanter Kranken- oder Altenpflegedienst in der Rechtsform einer Personenvereinigung kann nur dann freiberufliche Einkünfte erzielen, wenn alle Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Somit muss die Tätigkeit jedes Gesellschafters mit einem heilberuflichen Katalogberuf vergleichbar sind. Sofern die Gesellschaft neben einer (an sich freiberuflichen) häuslichen Krankenpflege zusätzlich noch gewerbliche Leistungen der häuslichen Pflegehilfe erbringt, kommt es zur gewerblichen „Infizierung“ der gesamten Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

Fazit: Da die Tätigkeit ambulanter Pflegedienste im EStG nicht ausdrücklich als freiberuflicher Katalogberuf genannt ist, kann eine freiberufliche Einordnung nur über die Anerkennung als „ähnliche“ Tätigkeit gelingen. Da Pflegedienste von unterschiedlichen Personengruppen betrieben werden und die erbrachten Leistungen variieren, muss somit stets einzelfallabhängig geprüft werden, ob die Tätigkeit des Berufsträgers in den wesentlichen Merkmalen mit einem heilberuflichen Katalogberuf vergleichbar ist – gewichtige Merkmale sind hierbei die absolvierte Ausbildung und die tatsächliche Tätigkeit.

OFD Frankfurt, Verfügung v. 2.4.2015, S 2246 A – 23 St 210