Steueroasen in Deutschland?

Auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat am 4.11.2016 eine Entschließung gefasst, mit welcher künftig Gestaltungsmodelle mit dem Ziel der Minderung der Gewerbesteuer mittels Lizenzzahlungen verhindert werden sollen.
Mit der Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, die eine künstliche Reduzierung der Gewerbesteuer verhindern können. Hintergrund sind in der Praxis aufgetretene Gestaltungsmodelle, bei denen Unternehmen Lizenzzahlungen dazu nutzen, um Gewinne innerhalb Deutschlands in Gemeinden mit sehr niedrigen Hebesätzen zu verschieben und so ihre Gesamtbelastung mit Gewerbesteuer im Konzern mindern.

Im Kern funktioniert die steuerliche Gestaltung wie folgt:

Das “geistige Eigentum“ eines Betriebs, z. B. Patente, Markenrechte bzw. Lizenzen, wird steuerneutral zum Buchwert auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochter-Personen-gesellschaft (die sog. Lizenzgesellschaft) übertragen. Die Lizenzgesellschaft hat ihren Gewerbebetrieb in einer Gemeinde mit einem niedrigen Hebesatz, z. B. Mindesthebesatz von 200 %. Sie überlässt die übertragenen Rechte der operativ tätigen Konzerngesellschaft (sog. Produktionsgesellschaft) zur Nutzung und erhält im Gegenzug Lizenzzahlungen. Die Zahlungen mindern den Gewinn der Produktionsgesellschaft und damit deren Gewerbesteuerbelastung, die sich z. B. aus einem Hebesatz von 400 % errechnet.

Ähnliche Gestaltungen waren bisher vor allem global anzutreffen und basieren regelmäßig auf die Zwischenschaltung einer Gesellschaft in einer sog. Steueroase. Dieses Grundmodell ist nunmehr auch innerhalb Deutschland und nur für die Gewerbesteuer attraktiv geworden. Gewerbesteuerlich relevanter Gewinn wird “künstlich“ in eine Gemeinde mit niedrigem Hebesatz verlagert; diese Gemeinde kann man analog als “Gewerbesteueroase“ bezeichnen.

Doch nicht nur die laufende Gewerbesteuerbelastung wird oftmals halbiert. Auch die zu Buchwert übertragenen stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter sind in die „Gewerbesteueroase“ gewandert. Damit ist auch insoweit potenzielles Steuersubstrat verlagert worden.

Da die Lizenzgesellschaft keine außer der Nutzungsüberlassung keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, bleiben die Belastungen durch die Produktionsgesellschaft in der bisherigen Gemeinde, welche entsprechende Infrastruktur vorhalten muss, aber keine adäquaten Steuereinnahmen erhält.
Grund genug für die Bundesländer Maßnahmen gegen solche steueroptimierenden Gewinnverlagerungen zu fordern. Eine Verteilung des Besteuerungssubstrats soll zwischen Gemeinden in angemessener Weise erfolgen.

Entschließung des Bundesrats v. 4.11.2016, BR-Drucksache 635/16